Dringender Korrekturbedarf bei der Definition der Leistungsgruppe Geriatrie
Mit dem Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz KHVVG werden u.a. die zukünftigen Leistungsgruppen definiert. Dringender Handlungsbedarf besteht hinsichtlich der sachgerechten Definition der Leistungsgruppe Geriatrie. Hier muss das Gesetz schnell nachgebessert werden, da die verabschiedete Gesetzesfassung eine redaktionelle Unrichtigkeit enthält.
Die aktuell in der Anlage 1 zum KHVVG normierte personelle Ausstattung der LG Geriatrie (Nr. 56) weist in den Spalten „Qualifikation“ und „Verfügbarkeit“ zwei korrekturbedürftige Formulierungen auf:
- Im Bereich der ärztlichen Qualifikation sind die Schwerpunktbezeichnung Geriatrie sowie der Facharzt für Innere Medizin und Geriatrie nicht aufgeführt.
- Im Bereich der Vorhaltung wurden bei der Aufzählung der Grundqualifikationen die wichtigen Facharztgruppen Innere Medizin und Allgemeinmedizin vergessen bzw. versehentlich gestrichen.
Im Ergebnis werden mit den jetzt normierten Regelungen Vorgaben geschaffen, die mindestens 80 Prozent der heute etablierten Geriatrien nicht erfüllen können, da es den definierten Personenkreis faktisch nicht gibt. Damit scheidet diese überwiegende Anzahl an Geriatrien aus der Versorgung aus, was einen Zusammenbruch der geriatriespezifischen Versorgung bedeutet.
Über 70 Prozent der Geriaterinnen und Geriater besitzen als Grundqualifikation den Facharzt für Innere Medizin. Zur Vorhaltung der Leistungsgruppe Geriatrie werden aber stattdessen regelhaft mindestens 2 Fachärztinnen bzw. -ärzte für Neurologie oder Physikalische Medizin und Rehabilitationsmedizin mit der Zusatzweiterbildung Geriatrie gefordert. Eine Ärztegruppe, die es in dieser Art nicht bzw. nicht im entsprechenden Umfang gibt.
Der Bundesverband Geriatrie hat gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie kurzfristig eine Umfrage der Grundqualifikationen innerhalb der Geriatrie durchgeführt.
Die Erhebung zeigt deutlich, dass nahezu 3/4 der Geriaterinnen und Geriater den Facharzt für Innere Medizin als Grundqualifikation besitzen. Die Neurologie ist mit nur rund 10 Prozent als Grundqualifikation vertreten und die Physikalische Medizin und Rehabilitationsmedizin spielen nur eine marginale Rolle.
Zu bedenken ist zudem, dass die Vorgabe der Leistungsgruppe in der Spalte Verfügbarkeit zwei Fachärztinnen bzw. -ärzte dieser drei Grundqualifikationen fordert, wodurch der personelle Bedarf nochmals steigt. Damit wird deutlich, dass die aktuelle Definition der Leistungsgruppe Geriatrie für mindestens 80 Prozent der heutigen Geriatrien nicht erfüllbar ist.
Ohne eine kurzfristige Korrektur der im KHVVG gesetzlich festgelegten Definition der Leistungsgruppe Geriatrie wird der Großteil der heute in der stationären Versorgung tätigen Geriaterinnen und Geriater formal nicht mehr die entsprechenden Qualifikationsvorgaben erfüllen, um eine Geriatrie im Sinne der Leistungsgruppe zu führen. In der Konsequenz bedeutet dies in weiten Teilen die faktische Abschaffung der Altersmedizin an Krankenhäusern – mangels Erfüllung der Vorgaben der Leistungsgruppe Geriatrie.
In einem ersten Gespräch mit dem Bundesgesundheitsministerium für Gesundheit wurde uns bestätigt, dass es nicht beabsichtigt war, die Geriatrie durch entsprechende Vorgaben in der Definition der Leistungsgruppe zu verkleinern oder sogar abzuschaffen.
Da der Text größtenteils mit der Formulierung der (Muster-)Weiterbildungsordnung der Ärztekammer übereinstimmt, jedoch ein kleiner Textteil im Gesetzestext fehlt, ist ungewollt eine zu einschränkende Vorgabe entstanden.
Da es nicht zuletzt vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung kaum das versorgungspolitische Ziel sein kann, die geriatriespezifische, flächendeckende Versorgung faktisch abzuschaffen, ist entscheidend, dass dieses Problem vom Gesetzgeber durch eine Gesetzesänderung kurzfristig gelöst wird.